59
"Feuersinfonie"
A-Dur
Sinfonien um 1766-1769
Herausgeber: Andreas Friesenhagen und Christin Heitmann; Reihe I, Band 5a; 2008, G. Henle Verlag München
Hob.I:59 Symphonie in A-Dur
Drei von Haydns Symphonien in der Tonart A-Dur aus den späten 6oer und frühen 70er Jahren des 18. Jahrhunderts gehören zu seinen "bühnengemäßesten": Die Nr. 59 und Nr. 65 dieser Einspielung und die kurze Zeit später entstandene Nr. 64 (siehe Band 7). (Der Beiname "Feuer" ist wie viele andere unecht: Er erscheint erst in einer späten, nicht authentischen Quelle; auch steht dieses Werk von ca. 1768 nicht, wie man häufig liest, in Beziehung zu einem Schauspiel mit dem Titel Die Feuersbrunst, das 1774 in Eszterháza aufgeführt wurde, und noch weniger zu dem gleichnamigen Singspiel - das ohnehin eine Pastiche ist, nicht ein Werk von Haydn.) Man kann sich jedoch durchaus vorstellen, dass die Symphonie Nr. 59 zumindest teilweise als Schauspielmusik begonnen haben könnte. Das Presto (ein höchst ungewöhnliches Tempo für einen nach 1760 entstandenen Kopfsatz) mit seinem einleitenden Oktavsprung und den dahineilenden Tonleitern unter wechselhaft rhythmisierten wiederholten Noten läßt sogleich den Gedanken an eine Schar verwirrter Verschwörer aufkommen; und es ist in der Tat theatralisch, wenn sie plötzlich piano auf einem entlegenen Akkord Halt machen, zur Dominanten und dann im Stile einer langsamen Introduktion in eine Pause übergehen — eine eher widersinnige "Eröffnungsgeste", wenn man sie mit dem eigentlichen Beginn vergleicht. Keine bloße Theatralik ist dagegen Haydns unberechenbares, aber durchweg kohärentes Spiel mit diesen widersinnigen Motiven; selbst der Piano-Verhalt taucht nicht nur mehrfach (jedes Mal variiert) auf, sondern hat auch, intensiviert durch die Anweisung pp, das letzte Wort des ganzen Satzes. Das Andante o più tosto allegretto in der Tonika-Molltonart ist noch weit merkwürdiger. (Die Molltonarten a, e und h, die zur "Kreuzseite" des Tonartspektrums neigen, haben Haydn häufig angeregt, sich einer exotischen, "ungarischen" oder "Balkan"-Atmosphäre zu befleißigen.) Ein sparsames zweiteiliges Thema leitet bald in ein ganz anderes Cantabile-Thema in der Paralleltonart (C-Dur) über, das eingehend durchgeführt wird — in der Tat übertrieben eingehend: ein Charakteristikum von Haydns Bühnenmusik. Wenn endlich die Kadenz erreicht ist, führt das gleiche Thema zur Dominante zurück, und zu einer kurzen Reprise des ersten Themas. Dann erfolgt die wahre Überraschung: Das Dur-Thema setzt gleich wieder ein, diesmal in A-Dur, zusammen mit den (gänzlich unerwarteten) Oboen und Hörnern — ein hinreißender, wenn auch seltsamer Effekt. Die Seltsamkeit wird nur noch erhöht durch eine weitere, augenscheinlich unmotivierte, fortissimo gespielte Erinnerung an das einleitende Thema, die ebenso schnell wieder verschwindet, wie sie erschienen ist, und das ganze überlange Dur-Thema der Reprise überlässt.
Das Menuett setzt mit dem gleichen Motiv ein wie das Andante (ein relativ frühes Beispiel für Haydns zunehmend starke Tendenz, motivische Bindeglieder zwischen mehreren Sätzen des Zyklus zu schaffen); das Trio zieht sich erneut in die tonische Molltonart und auf die Streicher allein zurück. Das Finale Allegro assai in Sonatensatzform beginnt mit einem unbegleiteten Hornruf in lang ausgehaltenen Noten (ein Effekt, den Haydn in einem seiner spätesten und bedeutendsten Finales variieren sollte: dem der Symphonie "mit dem Paukenwirbel", Nr. 103); dieser Hornruf alterniert mit einer Oboenmelodie, die auf schnellen Noten beruht. Die Fortsetzung in Gestalt eines Trillers für die Hörner ist äußerst amüsant, doch gleich schließt sich ein noch besserer Scherz an: Die Streicher setzen ein und zwingen die genannten Motivfetzen, so zu tun, als wollten sie zur Fuge ausarten. Nichts wäre undenkbarer; und siehe da, nach nur vier Takten starten wir in bestem Finalestil durch — bis zur Durchführung, die uns doch noch mit einem richtigen Fugato beglückt! Weitere Überraschungen folgen in der Reprise; und Haydn gönnt sich obendrein eine ausführliche Coda mit einer letzten witzigen Variation auf das zusammengestückelte Thema.
©James Webster
Analyse

Analyse der Sätze




Musiker

Musiker
Anders als etwa bei den Opern lassen sich bei den Sinfonien, auf Grund ihrer unklaren zeitlichen Zuordnung, vollständige Besetzungs- bzw. Namenslisten der Orchestermusiker nicht anführen. Und es ist überhaupt nur bei einer der drei „Sinfonie-Schaffens-Phasen“ möglich, nämlich der mittleren Phase, jener am Hofe der Esterházys (1761-1781 letzte Sinfonie für das Esterház-Publikum) respektive 1790). Bei der ersten Phase, im Dienste des Grafen Morzin, also vor Esterházy (1757-1761) und der dritten Phase, jener danach (1782-1795) ist es überhaupt nicht möglich. Im Übrigen lässt sich die dritte Phase wiederum in drei Abschnitte gliedern: Jenen, in dem Haydn erstmals für ein „anderes“ Publikum als seines am Hofe Esterház komponierte (1782-1784), den Pariser Sinfonien (1785-1786) und den Londoner Sinfonien bis (1791-1795).
Namens- bzw. Gehaltslisten – und aus jenen wurde die Orchesterbesetzung „extrahiert“ - existieren also nur aus der Schaffensphase im Dienst der beiden Fürsten Esterházy, also von 1761 bis 1782.
Daher werden „nur“ jene Musiker angeführt, die im Dienste der beiden Fürsten Esterházy standen und mit Sicherheit über einen längeren Zeitraum in Haydns Orchester wirkten, quasi ein „All-Time – All-Stars-Orchester“. Ich behielt bei den betreffenden Musikern die Jahreszahl „-1790“ bei, da mit Sicherheit Haydn auch nach 1782 seine Sinfonien am Hofe zu Gehör brachte.
Flöte | Franz Sigl 1761-1773 |
Flöte | Zacharias Hirsch 1777-1790 |
Oboe | Michael Kapfer 1761-1769 |
Oboe | Georg Kapfer 1761-1770 |
Oboe | Anton Mayer 1782-1790 |
Oboe | Joseph Czerwenka 1784-1790 |
Fagott | Johann Hinterberger 1761-1777 |
Fagott | Franz Czerwenka 1784-1790 |
Fagott | Joseph Steiner 1781-1790 |
Horn (spielte Violine) | Franz Pauer 1770-1790 |
Horn (spielte Violine) | Joseph Oliva 1770-1790 |
Pauke oder Fagott | Caspar Peczival 1773-1790 |
Violine | Luigi Tomasini 1761-1790 |
Violine (Stimmführer 2. Vl) | Johann Tost 1783-1788 |
Violine | Joseph Purgsteiner 1766-1790 |
Violine | Joseph Dietzl 1766-1790 |
Violine | Vito Ungricht 1777-1790 |
Violine (meist Viola) | Christian Specht 1777-1790 |
Violoncello | Anton Kraft 1779-1790 |
Violone | Carl Schieringer 1768-1790 |
Medien

Musik
Antal Dorati
Joseph Haydn
The Symphonies
Philharmonia Hungarica
33 CDs, aufgenommen 1970 bis 1974, herausgegeben 1996 Decca (Universal)



