60

"Il distratto"

C-Dur

Ordnung nach Hoboken
Hob.I: 60
Chonologische Ordnung
62
Tonart
C-Dur
Titel
"Il distratto"
Periode
Mittlere Esterház-Sinfonien 1767 bis 1773; „Sturm und Drang“ und die „Ruhe“ danach
Kompositionsdatum
1. Hälfte 1774
Auftraggeber
Fürst Nikolaus I. Joseph Esterházy
Anzahl der Sätze
6
Echtheitsbeleg
Entwurfs-Katalog
Partitur-Ausgabe

Sinfonien um 1770-1774
Herausgeber: Andreas Friesenhagen und Ulrich Wilker; Reihe I, Band 5b; 2013, G. Henle Verlag München

Hob.I:60 Symphonie in C-Dur ("Il distratto")
Dieses Werk entstand ursprünglich als Begleitmusik für eine Komödie in fünf Akten, in der es um den im Titel erwähnten "geistesabwesenden" Léandre geht. Zwar gibt es Hypothesen, die das Gegenteil behaupten, aber diese Symphonie ist die einzige von Haydn, bei der sich dokumentieren lässt, dass sie ursprünglich als Musik für die Bühne komponiert wurde. Dieser einmalige Status spiegelt sich sowohl in den stilistischen Eigenheiten als auch in der Tatsache wider, dass es sich um eine Symphonie mit sechs Sätzen handelt — eine generische Anomalie, die in der österreichischen Musik des 18. Jahrhunderts nur bei unverhohlen programmatischen Werken auftritt. Der erste Satz diente als Ouvertüre, die Sätze zwei bis fünf als Zwischenaktmusik, und der letzte als eine Art "Finale" nach Ende des Theaterstücks.
Haydns Musik traf dank ihrer Veranschaulichung des Dramas auf weit verbreitete und begeisterte Resonanz. Im gegenwärtigen Kontext muss ein knapper Hinweis auf seine großartige Bearbeitung genügen. Ich zitiere Auszüge aus der Synopse von Robert A. Green.
Die meisten Charaktere [ ...] haben mit der Commedia dell'arte zu tun und waren für Haydn und das zeitgenössische Publikum als Typen sofort erfaßbar. Clarice und Isabelle sind zwei wohlerzogene junge Damen. Der Chevalier, der Bruder von Clarice, ist der typische adlige Soldat, der zecht, Jagd auf Frauen macht und in den Künsten des Galans wohl bewandert ist. Mme. Grognac ist die autoritäre Mutter auf der Suche nach einem reichen Mann für Isabelle, ohne Rücksicht auf die Wünsche ihrer Tochter. Der Geiz von Mme. Grognac wird gründlich ausgenutzt [...] Lisette und Carlin sind die Diener, die ihre Stärken einsetzen, um die Schwächen ihrer Herrschaften auszugleichen [...] Léandre, le distrait, ist ein Charaktertyp, der durch die folgende, 1688 in Jean de La Bruyères Les Caractères veröffentlichte Beschreibung geläufig war [...]
[Er] kommt die Treppe herunter, öffnet die Tür, um hinauszugehen, und schließt sie dann wieder; er bemerkt, dass er seine Schlafmütze trägt; und beim genaueren Hinsehen entdeckt er, dass er sich nur halb rasiert hat [...] Bei einer anderen Gelegenheit besucht er eine Dame, und nachdem er bald zu der Überzeugung gelangt, er selbst sei der Gastgeber, lässt er sich gemütlich im Sessel nieder und macht keinerlei Anstalten, wieder aufzustehen [...] Eines morgens heiratet er und hat es am selben Abend schon wieder vergessen [...] Der erste Satz (Ouvertüre) ähnelt dem der Symphonie Nr. 50, was Tonart, Taktmaß, das Vorhandensein einer langsamen Einleitung u.v.a. betrifft. Der eine deutlich illustrative Passus tritt in der zweiten Gruppe der Exposition auf: Nachdem sie bei einer lokalen Subdominante angekommen ist, verharrt die Musik nicht weniger als zwölf Takte lang darauf und verklingt melodisch (sie ist auf einer einzigen Note hängengeblieben), dynamisch ("perdendosi") und rhythmisch: Sie ist buchstäblich "steckengeblieben". Verblüffender ist, kurz nach Beginn des Durchführungsteils, der Einbruch der ersten Takte der "Abschiedssymphonie": Stellt Haydn selbst sich hier geistesabwesend? Im darauf folgenden Andante werden die kontrastierenden Themen so interpretiert, als stellten sie die Bühnenfiguren selbst dar: Zuerst die friedfertige Isabelle, dann die strenge Mme. Grognac; danach könnte im Durchführungsteil eine "französische" Tanzparodie als Hinweis auf den zügellosen Chevalier gedeutet werden, dem Isabelle leichtfertig ihr Herz geschenkt hat; und so weiter. Es fallt alles so leicht, und man sollte nicht vergessen, dass die meisten dieser Bezüge nur Spekulation sind, sogar die, die auf die (ebenfalls spekulativen) zeitgenössischen Rezensionen der 1770er Jahre zurückgehen. Die Hörer werden ermuntert, selbst Bezüge herzustellen. Man kann freilich der Versuchung nicht widerstehen, den dummen Scherz im Finale damit zu erklären, dass Léandre sich einen Knoten ins Taschentuch macht, um ja seine Hochzeitsnacht nicht zu vergessen. Das "Sich Besinnen" wird dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die Musik nach wenigen Takten plötzlich abbricht, während die Geigen ihre tiefste Saite, die sie in einem Anfall von "Geistesabwesenheit" auf F gelassen hatten, auf G umstimmen.
©James Webster

Analyse

Analyse

Analyse der Sätze

1. Satz
62,1a
 
62,1b
Satzbezeichnung
Adagio / Allegro di molto
Tonart
C-Dur
Form
Sonatenform
2. Satz
62,2
Satzbezeichnung
Andante
Tonart
G-Dur
Form
dreiteilige Liedform
3. Satz
62,3
Satzbezeichnung
Menuetto / Trio
Tonart
C-Dur-c-Moll
4. Satz
62,4
Satzbezeichnung
Presto
Tonart
c-Moll
Form
Sonatenform
5. Satz
62,5
Satzbezeichnung
Adagio di lamentatione
Tonart
F-Dur
Form
zweiteilige Liedform
6. Satz
62,6
Satzbezeichnung
Prestissimo
Tonart
C-Dur
Form
zweiteilige Liedform
Spieldauert gesamt
ca. 30 Min.

Musiker

Musiker

Musiker

Anders als etwa bei den Opern lassen sich bei den Sinfonien, auf Grund ihrer unklaren zeitlichen Zuordnung, vollständige Besetzungs- bzw. Namenslisten der Orchestermusiker nicht anführen. Und es ist überhaupt nur bei einer der drei „Sinfonie-Schaffens-Phasen“ möglich, nämlich der mittleren Phase, jener am Hofe der Esterházys (1761-1781 letzte Sinfonie für das Esterház-Publikum) respektive 1790). Bei der ersten Phase, im Dienste des Grafen Morzin, also vor Esterházy (1757-1761) und der dritten Phase, jener danach (1782-1795) ist es überhaupt nicht möglich. Im Übrigen lässt sich die dritte Phase wiederum in drei Abschnitte gliedern: Jenen, in dem Haydn erstmals für ein „anderes“ Publikum als seines am Hofe Esterház komponierte (1782-1784), den Pariser Sinfonien (1785-1786) und den Londoner Sinfonien bis (1791-1795).
Namens- bzw. Gehaltslisten – und aus jenen wurde die Orchesterbesetzung „extrahiert“ - existieren also nur aus der Schaffensphase im Dienst der beiden Fürsten Esterházy, also von 1761 bis 1782.
Daher werden „nur“ jene Musiker angeführt, die im Dienste der beiden Fürsten Esterházy standen und mit Sicherheit über einen längeren Zeitraum in Haydns Orchester wirkten, quasi ein „All-Time – All-Stars-Orchester“. Ich behielt bei den betreffenden Musikern die Jahreszahl „-1790“ bei, da mit Sicherheit Haydn auch nach 1782 seine Sinfonien am Hofe zu Gehör brachte.

Leitung
Joseph Haydn
Orchestrierung
0|2|0|0 – 2|2 – 1 – Str.
Besetzung Orchester
0|2|0|1 – 2|2 – 1 – Str.
Besetzung
Flöte Franz Sigl 1761-1773
Flöte Zacharias Hirsch 1777-1790
Oboe Michael Kapfer 1761-1769
Oboe Georg Kapfer 1761-1770
Oboe Anton Mayer 1782-1790
Oboe Joseph Czerwenka 1784-1790
Fagott Johann Hinterberger 1761-1777
Fagott Franz Czerwenka 1784-1790
Fagott Joseph Steiner 1781-1790
Horn (spielte Violine) Franz Pauer 1770-1790
Horn (spielte Violine) Joseph Oliva 1770-1790
Pauke oder Fagott Caspar Peczival 1773-1790
Violine Luigi Tomasini 1761-1790
Violine (Stimmführer 2. Vl) Johann Tost 1783-1788
Violine Joseph Purgsteiner 1766-1790
Violine Joseph Dietzl 1766-1790
Violine Vito Ungricht 1777-1790
Violine (meist Viola) Christian Specht 1777-1790
Violoncello Anton Kraft 1779-1790
Violone Carl Schieringer 1768-1790

Medien

Medien

Musik

Antal Dorati

Joseph Haydn
The Symphonies
Philharmonia Hungarica
33 CDs, aufgenommen 1970 bis 1974, herausgegeben 1996 Decca (Universal)

1. Satz
62,1a
 
62,1b
2. Satz
62,2
3. Satz
62,3
4. Satz
62,4
5. Satz
62,5
6. Satz
62,6



Partitur

60









Haydn13

1757

1. Periode
Hob.I:1

1757/1758

1. Periode
Hob.I:37

1757-1759

1. Periode
Hob.I:18
Hob.I:2

1757-1760

1. Periode
Hob.I:4
Hob.I:27

1758-1760

1. Periode
Hob.I:10
Hob.I:20

1761/1762

1. Periode
Hob.I:36
Hob.I:33

1766

4. Periode

1771

4. Periode
Hob.I:52
Hob.I:42

1774/1775

5. Periode
Hob.I:68

1776

5. Periode
Hob.I:61

1777/1778

5. Periode
Hob.I:53 "L'Impériale"

1778/1779

5. Periode
Hob.I:71

1780

5. Periode
Hob.I:74
Hob.I:62

1781

5. Periode
Hob.I:73 "La chasse"

1787

8. Periode
Hob.I:89

-1788

8. Periode
Hob.I:88

1788

8. Periode
Hob.I:90
Hob.I:91

1789

8. Periode
Hob.I:92 "Oxford"

1793

10. Periode
Hob.I:99

1794

10. Periode
Hob.I:102

1796

1799

1801

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
I. Periode
Acide
 
I. Periode
 
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I. Periode
 
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Lo speziale
 
I. Periode
 
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Le pescatrici
 
I. Periode
 
I. Periode
 
II. Periode
 
II. Periode
 
II. Periode
 
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Il mondo della luna
 
II. Periode
 
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La fedeltà premiata
 
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Orlando paladino
 
III. Periode
Armida
 
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La vera costanza II